Nachgekocht
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Nachgekocht: Weiberwirtschaften Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg war ich in meinem Leben selten, aber nun mache ich mich auf zu einer kulinarischen Reise in’s Ländle, zwischen Odenwald, Schwarzwald und Bodensee zu den „Refugien für Leib und Seele“ und 3 von den 30 Wirtinnen und ihren Lieblingsrezepten. Aber wie komme ich da hin? Beim Stichwort „schwäbisch“ kommt mir ein Lied in den Sinn, das mir früher mein Opa vorgesungen hat und mir wegen des eigenwilligen Dialekts in Erinnerung ist:

„Auf dr schwäbsche Eisebahne gibt’s gar viele Haltstatione,
Schtuegert, Ulm ond Biberach, Meckebeure, Durlesbach.
Rulla, rulla, rullala…“

Rulla rulla, fahre ich also mit der Eisenbahn in die Schwäbische Alb, 1. Halt ist das „Rose Biohotel-Restaurant“ von Inge Tess in Hayingen-Ehestetten. Warum hierhin? Mich reizt das sprachlich schwäbischste aller in diesem Buch vereinten Rezepte, die die Autorin und Fotografin Regula Wolf zusammengetragen hat: Alblinsenofenschlupfer mit Ziegenmaultäschle. Im Geiste sitze ich bereits auf der Terrasse der Biomanufaktur zwischen Erholungsgarten und Gewächshaus und warte auf mein vegetarisches Gericht. Aber ach, ich muß ja selber ran.

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Und was sind denn eigentlich Ofenschlupfer? Eigentlich ein süßer Auflauf aus altbackenem Brot, hier aber pikant mit Alblinsen aus der besagten Schwäbischen Alb und da im Plural, auf nette kleine Muffinförmchen verteilt. Und wachsen hier tatsächlich Linsen?

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Man glaubt es kaum. Slow Food Deutschland schreibt dazu: „Leisa – schwäbisch für Linsen – wurden auf der Schwäbischen Alb bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts angebaut. Die niedrigen Erträge und der große Arbeitsaufwand bei Ernte und Reinigung waren Ursachen für das völlige Verschwinden dieser uralten Nahrungspflanze in ganz Deutschland. Zwei noch in den fünfziger Jahren aufgeführte Alblinsen-Sorten sind dabei verschollen.
Seit 1985 baut nun – zuerst nur der Bioland Hof Mammel – eine Erzeugergemeinschaft auf der Grundlage der Du Puy Linse, Sorte Anica, wieder Alb-Leisa an. Die besonderen Standortbedingungen auf der Schwäbischen Alb sowie die traditionelle, biologische Bewirtschaftung machen es wahrscheinlich, wieder an die alten Sorten und deren spezifischen Gerichte anknüpfen zu können. Die Alblinsen sind schon heute ein Genuss und eine Bereicherung unserer geschwundenen Anbauvielfalt.

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Während die „Leisa“ kochen und das „Brödle“ in Sahne und Eiern einweicht, widme ich mich den „Ziegenmaultäschle“. Was ist das nun wieder? Essbare Täschchen aus Ziegenmäulern? Das wäre ja nicht gerade vegetarisch und warum ist hier eigentlich alles so niedlich?

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Angeblich ist der Schwabe ein Mensch, der nicht gern angibt, und deswegen verniedlicht er halt alles: Gärtle, Häusle, Audole … aber auch Weckle, Spätzle und Herrgottsbscheißerle, was ein weiterer Name für Maultaschen ist. Einer Legende nach haben schwäbische Zisterziensermönche des Klosters Maulbronn in der Fastenzeit ihren Herrgott betrogen, indem sie das Fleisch in den Teigtaschen versteckt haben. Tsssssss. Deswegen kommt als Füllung eben auch Ziegenfrischkäse rein. Während ich liebevoll und geduldig die Täschle forme frage ich mich, wie denn die Ofenschlupferle mit den Maultäschle kulinarisch verbunden werden sollen? Hier wurde doch glatt das Sößle vergessen! Der Schwabe ist eben auch für seine Sparsamkeit bekannt ;)
Ich improvisiere: 1/2 kleiner Hokkaido Kürbis, 3 Schalotten, 1 Becher Sahne, Kardamom, Muskat, Curry, mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft abgeschmeckt, fertig ist die ideale Verbindung von Alblinsenofenschlupfer und Ziegenmaultäschle.

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Weiter geht’s zur 2. Station:

„Auf der schwäbsche Eisebahne gibt‘s gar viele Restauratione, wo ma esse, trinke ka, alles was dr Mage ma. Rulla, rulla, rullala….“

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… bei der ich mir die Salatbeilage ausgesucht habe: Rote-Bete-Carpaccio mit Rucoladressing und Ziegenfrischkäse. Ein Rezept vom fröhlichen Trio Alexandra, Annette und Christine Reck aus Recks Hotel Restaurant in Salem am Bodensee. Gegart und fix in dünne Scheiben geschnittene Rote Bete harmoniert hervorragend zum nussigen im Mixer hergestellten Rucola-Balsamico-Dressing. On Top eine Nocke Ziegenfrischkäse und etwas rosa Pfeffer. Mit den Ziegen, in Schwaben auch Geiß genannt, hab ich’s heute … wie das wohl enden wird?

Auf dr schwäbsche Eisebahne wollt amol a Bäurle fahre,
goht an Schalter lupft da Hut: „Oi Billetle, sen’ so gut!“
Rulla, rulla, rullala…
Oinen Bock hat er sich kaufet, ond dass der ihm net entlaufet,
bindet en der gute Ma an de hentre Wage na.
Rulla, rulla, rullala…
[…]
Auf der nächschde Statione, wo er will sei Böckle hole,
fendet er nur Kopf ond Soil an dem hendre Wagetoil.
Rulla, rulla, rullala…

… dieser liebenswert makabre Text hat mich als Kind fasziniert und ich wollte ihn immer und immer wieder hören. So, und deshalb brauchen wir zu guter Letzt aber unbedingt einen Trost und tuckern weiter zur 3. Station: die „Kleinigkeit“ in Stuttgart lockt mit warmem Schokoladenkuchen. Michaela Wanner führt hier mit viel Liebe zu Detail ein junges Familienrestaurant, in der auch Vernissagen stattfinden. Vorhang auf für eine Sünde aus viiieeel 70%iger Schokolade, Butter, Eiern und Cognac. Warm genossen das cremigste Antidepressivum, was mir seit langen auf den Dessertteller gekommen ist.

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Viele Dorfgaststuben, Cafés, ungewöhnliche Restaurants, Hotels und Weingüter wären hier noch zu entdecken, für deren charmante und professionelle Gastlichkeit Frauen verantwortlich sind: von der Burgherrin Roswitha Walter in Dischingen-Katzenstein über eine Bar im Glashaus am Kaisersuhl, ein Suppencafé in Freiburg oder die zwei stilechten Ladies, die den amerikanischen Traum der 50er in ihrem „The Ladies Diner“ mit pink-und mintfarbenen Ledersitzen und Röhrenradio in einem Industriegebiet in Esslingen-Zell wahrwerden lassen.

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Alblinsenofenschlupfer mit Ziegenmaultäschle

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für 4 Personen

Für die Alblinsenofenschlupfer:

100 g Alblinsen
4 Scheiben Toastbrot
4 Eier
200 g Sahne
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
Außerdem: Butter für die Muffinformen

Für die Füllung der Ziegenmaultäschle:

1 Scheibe Toastbrot, eingeweicht
120 g Ziegenfrischkäse
1 EL gemischte Kräuter, fein gehackt, z. B. Estragon, Kerbel, glattblättrige Petersilie

Für den Nudelteig:
200 g Dinkelmehl Type 550
1 Ei
1 Eigelb
1 EL Sonnenblumenöl
Salz
1 Ei zum Bestreichen

Zubereitung

  1. Den Backofen auf 140 °C vorheizen.
  2. „

  3. Die Linsen in reichlich Wasser etwa 12 Minuten weich garen. Abgießen und unter fließendem kaltem Wasser abschrecken.
  4. „„Das Toastbrot in kleine Würfel schneiden. Die Eier und die Sahne cremig mixen und mit Salz und Pfeffer würzen. Das Ganze mit den Alblinsen vermengen und die Brotwürfel hinzufügen. In mit Butter ausgestrichene Muffinformen füllen und im heißen Ofen 15 Minuten backen.„„
  5. Die Zutaten für die Maultaschenfüllung cremig rühren.„„
  6. Die Zutaten für den Nudelteig zu einer glatten Masse kneten. Mit der Nudelmaschine den Teig ausrollen. Mit einem Teigrädchen Quadrate ausschneiden. Darauf jeweils mit einem Löffel etwas Füllung setzen und die Teigquadrate zu Taschen formen.
  7. „„

  8. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen und die Teigtaschen einlegen. Sobald sie an die Oberfläche steigen, mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf Küchenpapier ablegen.

Rote-Bete-Carpaccio mit Rucola-dressing und Ziegenfrischkäse

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für 4 Personen

Zutaten

4 Rote Bete à 150 g, vorgekocht
grobes Meersalz
zerstoßener bunter Pfeffer
1 Bund Rucola
100 ml Aceto balsamico bianco
50 ml Sonnen-blumenöl
Salz
Zucker
Außerdem: 200 g Ziegenfrischkäse
rosa Pfeffer

Zubereitung

  1. Die Roten Beten in 3 mm dicke Scheiben schneiden und auf vier Teller verteilen. Etwas Meersalz und Pfeffer darüberstreuen.„„
  2. „

  3. Den Rucola waschen und trocken schleudern. Einige Rucola­blätter zum Dekorieren beiseitelegen.„„
  4. „„Ein Dressing aus Aceto balsamico bianco, Sonnenblumenöl, Salz und Zucker im Mixer herstellen.„„
  5. „„Das Dressing mit einem Löffel auf die Roten Beten geben und mit den Rucolablättern und Aceto balsamico dekorieren.
  6. „„Zum Schluss eine Nocke Ziegenfrischkäse auf jeden Teller geben und mit rosa Pfeffer dekorieren.
  7. „„

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Warmer Schokoladenkuchen

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für eine Springform mit 24 oder 26 cm Durchmesser

Für den Teig:

250 g Zartbitterschokolade (70 % Kakaogehalt)
150 g Butter
250 ml Milch
4 cl brauner Rum oder Cognac
6 Eier, Größe L
200 g Zucker
150 g Mehl
3 EL Kakaopulver

Für den Schokoladenguss:

300 g Sahne
200 g Zartbitterschokolade (70 % Kakaogehalt)

Zubereitung

  1. „„Den Backofen auf 180 °C vorheizen.
  2. „

  3. „„Für den Teig die Schokolade grob hacken und mit Butter, Milch und Rum bzw. Cognac in einer Schüssel im heißen Wasserbad schmelzen lassen.„„
  4. „„Die Eier und den Zucker mit dem Handrührgerät schaumig schlagen. Das Mehl und das Kakaopulver dazusieben und alles noch einmal kurz durchrühren. Anschließend die warme Schoko­ladenmasse mit einem Schneebesen unterrühren.„„
  5. „„Den Teig in die mit Backpapier ausgelegte Form füllen und im heißen Ofen etwa 45 Minuten backen.„„
  6. Für den Schokoladenguss die Sahne mit der grob gehackten Schokolade in einer Schüssel im Wasserbad erhitzen, glatt rühren und den Kuchen damit bestreichen.
  7. „„

 

Zusätzlich zu den Adressen und der Panoramakarte im Buch hat der Verlag online eine frei verfügbare Karte auf Google Maps erstellt, mit der sich alle Adressen des kulinarischen Reiseführers in die Routenplanung einbinden lassen: http://goo.gl/maps/xGwSM

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Weiberwirtschaften Baden-Württemberg
Refugien für Leib und Seele – 30 Wirtinnen und ihre Lieblingsrezepte
von Regula Wolf, Ria Lottermoser
176 Seiten, 196 Farbfotos (und eine Übersichtskarte), 175 x 275 mm, Hardcover
19,90 € (D), 25,90 Fr. (CH), 20,50 € (A)
ISBN 978-3-7750-0669-9

 

 

 

 

ArianeAriane ist Autorin dieses Artikels, sie kocht und fotografiert in freier Mitarbeit für Mizzis Küchenblock neue Rezepte nach ihrer Wahl aus dem Hädecke-Programm.

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