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Kulinarische Reisepost aus Vietnam Teil 2 – Hanoi

Meine kulinarische Entdeckungsreise durch Hanois Garküchen geht weiter. Mein treuer Begleiter, das Buch Vietnam Street Food von Tom Vandenberghe, war auch diesmal hilfreich, denn noch immer kann ich mir die Namen der unzähligen Gerichte, die auf den Straßen Vietnams feilgeboten werden, nicht merken. Ob ich das bis zum Ende der Reise draufhab? Wir werden sehen!

Unser zweiter Tag in Hanoi beginnt mit einem unterirdischen Frühstück im Hostel (diese Marmelade, zuckersüß, künstlicher Geschmack – und dabei gibt es hier doch so aromatische Früchte), danach machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof um ein Zugticket für unsere Fahrt nach Hué zu kaufen.

Leichter gesagt als getan: Allein die Fahrt mit dem Taxi gelingt nicht, man setzt uns an Stelle des Bahnhofs am viel weiter entfernten Busbahnhof ab. Als wir dann endlich den „richtigen“ Bahnhof erreichen, gibt es keine Karten für das Softsleeper-Abteil (Schlafwagen mit vier Betten) und die für den Hardsleeper (Schlafwagen mit 6 Betten) sind auch schon ausverkauft. Da haben wir uns also genau die richtige Zeit ausgesucht, um von Norden in den Süden zu reisen: Genau jetzt um diese Zeit nach Tet, fahren die Leute wieder nach Hause und alle Züge sind völlig überbucht. Am Ende ergattern wir nach langem Hin- und Her, und Diskussionen mit der nicht besonders motivierten Bahnangestellten, zwei Plätze im Softseat-Abteil (Großraumwagen mit zurückstellbaren Sitzen). Eine Stunde später stellen wir fest, das unsere Plätze nicht nebeneinander liegen. Bei einer 13-stündigen Fahrt ist das ein ganz schöner Mist!

„Hunger“ rufen unsere Mägen und nach dem Ärger wollen wir uns mit einem guten Essen aufheitern. Das hilft immer! Im äußerst praktischen kulinarischen Stadtplan, den man im Vorsatz des Buchs Vietnam-Streetfood findet, sehen wir, dass das Quan An Ngon gleich um die Ecke ist. Es handelt sich um ein Buffetrestaurant, in dem zahlreiche Streetfood-Gerichte unter einem Dach zubereitet werden. Wir finden uns in einem schicken, aber gemütlichen Restaurant wieder und setzen uns, zusammen mit den anderen Touristen, in den offenen Restaurantgarten. Aber nicht nur Touristen sondern auch viele Einheimische sieht man ein- und ausgehen und meine erste Skepsis, hier authentisches Streetfood serviert zu bekommen, vefliegt schnell.

Neugierig bestellen wir nach Toms Empfehlung zur Vorspeise Bánh Tôm (frittierte Garnelenküchlein), und zur Hauptspeise Bún Thang (Nudelsuppe mit Huhn Ei und vietnamesicher Schweinswurst) und weil es so lecker klingt Cơm Tấm Bì Sườn (Reis mit gegrilltem Schwein und Schweineterriene). Für mich ist eine Mahlzeit ohne Nachtisch nur halb so schön, deswegen ordere ich zum krönenden Abschluss noch Xôi vừng dừa (Klebreis mit Sesam und Kokosnuss). Es hat geklappt, der Ärger ist verflogen und unser Entdeckungsstreifzug durch Hanoi kann weiter gehen! Eigenartig ist nur, dass wir genauso viele Dong wie auf der Straße zahlen. Ich sag doch – Handeln will geübt sein!

Wir versuchen einige Sehenswürdigkeiten abzuklappern (Ho Chi Minh-Mausoleum und Museum und den Flaggenturm … ) aber auch hier stehen wir wegen Tet vor verschlossenen Türen. Egal – man kann Hanoi auch so genießen. Ich könnte mich stundenlang an eine Straßenecke setzen und einfach nur gucken: All die im geordneten Chaos fahrenden Mofas, Motorräder, Fahrräder und Busse (wohin wollen die eigentlich alle?), Händler mit Reishut, die in ihren geschulterten Tragekörben süß duftendes Obst durch den Verkehr transportieren, Blumenverkäufer, all die Menschen mit Mundschutz, Mütter, die ihre kleinen Babies rechts und links unterm Arm geklemmt (ohne Helm!) auf dem Mofa mitnehmen, Lufballonverkäuferinnen und, und, und …

Wir schlendern durch das Regierungsviertel, es wird immer wärmer, wir trinken zur Erfrischung einen süßen Drachenfruchtsaft und erreichen dann den Tempel der Literatur, der im Gegensatz zu Toms Bescheibung zu diesem Zeitpunkt keine „Oase der Ruhe in der geschäftigen Stadt“ ist. Unzählige Menschen, drängen sich durch die Eingangstore der ehemaligen Universität der Mandarine um für die Toten zu beten oder um dort Opfergaben in Form von Geldscheinen zu hinterlassen. Wir schwimmen mit dem Strom in die heilige Stätte und verbringen unsere Zeit mit Gucken und Staunen.
Unsere Augen sind nun müde, die Füße schwer – wir kehren zurück zum Hotel und mampfen auf dem Nachhauseweg mal wieder ein Bánh My.
Am nächsten Morgen müssen wir Früh aus den Federn, es geht in die Halong-Bucht!

Der nächste Morgen fängt grau und verregnet an – nicht das beste Wetter um sich die von Hanoi drei Stunden entfernte Bucht mit ihren majestätischen, aus dem Wasser herausragenden Kalkfelsen, die zum UNESCO Weltnaturerbe zählen, anzusehen. Für unsere Bootstour haben wir uns einen Tag zuvor einen Reiseanbieter (Handspan) ausgesucht und etwas mehr Geld in die Hand genommen, weil unter den Low-Budget-Angeboten auch einige schwarze Schafe dabei sind – dementsprechend schick fällt unsere Tour durch die Bucht aus. Für unseren Geschmack etwas zu spießig, aber auch wir können Fahrstuhlmusik beim Essen verkraften, solange das Essen gut ist. Und das ist es. Ganz anders als in den Garküchen, ein bisschen viel Schischi, aber wir sind zufrieden.

Nach dem Lunch klart der Himmel auf, genau zum richtigen Zeitpunkt, denn jetzt beginnt unsere Kanu-Tour durch die legendäre Wasserlandschaft: schroffe Felsen, unheimliche Grotten, sattgrüne Vegetation – eine bizarre Landschaft von mehr als 2 000 Inseln, die vor über 300 Millionen Jahren entstand. Am nächsten Morgen paddeln wir durch ein schwimmendes Fischerdorf. Eine beeidruckende Szenerie – aus der Ferne scheint es so unglaublich zu sein und ist man erstmal da, ist es das natürlichste der Welt!
Die Tour endet mit einem großen Brunch, der mich ein bisschen an ein 70er-Jahre-Kochbuch erinnert (diese aus Früchten und Gemüse geschnitzten Blumen!).

Der restliche Tag geht mit der Rückfahrt nach Hanoi drauf, aber ein weiteres Highlight erwartet uns noch:

Chả cá im Chả cá Lã Vọng
Nr. 14 Pho Cha Ca
Old Quarter

Geöffnet von 18.00 bis 22.00 uhr

Das Gericht ist in Hanoi so beliebt, dass sogar eine ganze Straße danach umbenannt wurde. Im Restaurant angekommen, bestellen wir eine Portion für Zwei und fünf Minuten später steht ein glühender Holzkohlegrill mit einer Pfanne, in der ordentlich Öl und Cha Ca (in Kurkuma marinierter Süßwasserfisch) vor sich hin brutzelt, vor uns. Dazu werden eine Schüssel Reisnudeln und ein Berg Kräuter (Koriander, Frühlingszwiebeln, Minze, Thai-Basilikum, Dill), Erdnüsse und Nuoc Cham serviert. Wir brauchen eine Weile um zu verstehen, dass wir die Kräuter zum Fisch in die Pfanne werfen müssen, aber die freundliche Bedienung macht uns noch rechtzeitig darauf aufmerksam. Atemberaubend, diese Kombination! Und was für ein Duft!

Chả Cá – Gegrillter marinierter Fisch mit Reisnudeln

Tom Vandenberghe schreibt: „Dieses Pfannengericht kann man kaum Street Food nennen. Ein Besuch in Hanoi ist aber nicht komplett, ohne Cha Ca probiert zu haben. Das ursprüngliche Rezept ist ein wohl gehütetes Familiengeheimnis. In unserem Kochstudio haben wir unser eigenes Rezept entwickelt, indem wir den Fisch ein weiteres Mal in Öl anbraten.“

Zutaten

300 g festfleischiger Fisch, z.B. Seeteufel, Heilbutt
4 Frühlingszwiebeln, geputzt, in 4 cm breite Ringe geschnitten, diese in Julienne geschnitten
1 Handvoll Dill, grob gehackt
300 g getrocknete Reis-Vermicelli, 4–5 Minuten gekocht, kalt abgespült und abgetropft
2–3 EL Pflanzenöl

Zutaten Marinade

1 EL frische Kurkumawurzel, fein gehackt
2 EL frischer Galgant, fein gehackt
1 EL Zucker
½ TL grobes Meersalz
1 TL Garnelenpaste
1 EL Reisessig
2 EL griechischer oder bulgarischer Joghurt

für die Garnitur

frische Kräuter, z. B. Koriander, Minze, großes Thai-Basilikum
300 ml Nuoc Cham
1 Handvoll geröstete Erdnüsse
knackige Salatblätter

Zubereitung

    1. Fisch gut abspülen, trocken tupfen und in 2 cm große Würfel schneiden.

 

    1. Aus Kurkuma, Galgant, Zucker und Salz eine Marinade anrühren. Alle Zutaten im Mörser zu einer glatten Paste stampfen. Garnelenpaste hinzufügen und gut unterrühren. Reisessig zugeben und die fertige Paste mit dem Joghurt verrühren.

 

    1. Den Fisch mit der Marinade einreiben und mindestens 4 Stunden im Kühlschrank ziehen lassen.

 

    1. Fisch am besten auf einem Holzkohlengrill oder in einer leicht gefetteten Grillpfanne von beiden Seiten braten.

 

    1. Frühlingszwiebeln und Dill in eine Schüssel geben. Nudeln auf 4 Schalen verteilen.

 

    1. Öl in einer Pfanne erhitzen und die gegrillten, marinierten Fischstücke zusammen mit Dill und Frühlingszwiebeln im Öl braten.

 

    1. Den Fisch auf den Nudeln anrichten, mit Kräutern bestreuen, je nach Geschmack mit Nuoc Cham beträufeln, mit gerösteten Erdnüssen garnieren und mit Salatblättern servieren.

 

Unseren letzter Tag in Hanoi starten wir mit einem Besuch des Don Xuan-Marktes. Wir müssen erst ein bisschen suchen, denn im vorderen Gebäude finden wir nur jede Menge Kitsch: Glitzerkram, Plastikspielzeug, Kleidung und Schuhe, Plüschtiere …
Im zweiten Gebäude wird es dann interessanter ein streng beißender Fischgeruch zieht uns in die Nasen. Vor uns türmen sich getrocknete Krabben und Garnelen, Tintenfisch und anderes undefinierbares Zeugs. Dazwischen finden wir Zimtstangen so groß wie die Äste eines kleinen Baums, Anis, Tee, Nüsse, Krabbenbrot, Nudeln, Reis, getrocknete kandierte Früchte. Weiter Hinten, am Ende des Gebäudes, wird frischer Fisch und andere Meerestiere verkauft, auch Kröten sehe ich in kleinen Käfigen sitzen. Ein Stück weiter rechts fängt der Gemüse- und Obstmarkt an: Drachenfrüchte, Mangos, Papayas, Passionsfrüchte, Ananas, Kokosnüsse, Melonen, Limetten, Sternfrüchte, Bananen, Naschi-Birnen, Äpfel, Esskastanien, Koriander, Thai-Basilikum, Zitronengras, Ingwerberge, Minze, Sojasprossen, Kürbis, Knoblauch, Lauchzwiebeln, Chilischoten und so viele andere Obst-, Kräuter- und Gemüsesorten, deren Namen ich leider nicht kenne.

Wir folgen Toms Wegbeschreibung des kulinarischen Spaziergangs durch die Altstadt: „Wenn man südlich des Marktes in die Cau Dong Street einbiegt, liegt etwa auf halber Höhe auf der linken Seite eine Gasse mit Garküchen namens Cho Dong Xuan.“ Und tatsächlich – wir laufen durch eine enge dunkle Gasse in der sich eine Garküche an die Nächste reiht. Hier werden bis zu 20 Streetfood-Gerichte angeboten, Nudeln mit Krebsen und Nudeln mit Schnecken empfiehlt Tom besonders. Sogar die kleinen Holzbänke aus Toms Beschreibung finde ich wieder.

Gar nicht weit vom Markt liegt auch eines der berühmtesten Häuser der Altstadt, in dem in vier Etagen Bún Chả (gegrilltes Schweinefleisch mit Nudeln) und Nem Rán (Hanoier Frühlingsrollen) serviert werden. Man braucht nur seiner Nase zu folgen: Vor dem Restaurant wird fleißig gegrillt und frittiert und dieser Duft zieht die ganze Straße hoch.

Bún Chả
Nr. 1 Hàng Mành
Old Quarter

Es schmeckt uns wieder wunderbar, diese knackigen Frühlingsrollen zu den frischen Kräutern, rauchig schmeckendem Schweinefleisch, Reisnudeln und Nước Mắm (Fischsauce). Fast bestellen wir noch eine Portion, aber wir sparen uns den Hunger lieber für ein Bánh My bei:

Nguyên Sinh
Nr. 17–19 Lý Quởc Sở
Nha Tho Area

Leider unsere erste Bánh My-Enttäuschung: Die Pastete ist noch gefroren, es sind kaum Kräuter im Brot und irgendwie schmeckt es ziemlich fad. Da ist uns das wesentlich preiswertere Bánh My auf der Straße lieber!

Nach dem kulinarischen Spaziergang durch die Altstadt steht Kultur auf dem Plan: Hỏa-Lò-Gefängnis, Opernhaus im Französischen Viertel, zwischendurch trinken wir frischgepressten eiskalten Zuckerrohrsaft, schlendern im Park am Ho Bay Mau-See entlang und gucken der Sonne zu, wie sie langsam vom diesigen Himmel verschluckt wird.

Auf der Dachterasse des Highlands-Coffee trinken wir einen dicken Kaffee mit süßer Kaffeemilch, vertreiben uns die Zeit bis es soweit ist, um zum Bahnhof zu fahren, indem wir dem wilden Treiben auf der Kreuzung am Hoan Kiem See zugucken und sind ein bisschen wehmütig, dass wir Hanoi und seine Garküchen heute schon verlassen müssen. Hué, wir kommen!

Arianeist Autorin dieses Artikels, sie kocht und fotografiert in freier Mitarbeit für Mizzis Küchenblock neue Rezepte nach ihrer Wahl aus dem Hädecke-Programm. Im Frühjahr 2013 war sie in Vietnam unterwegs und berichtete wöchentlich von ihren kulinarischen Erlebnissen vor Ort.

 

Vietnam Street FoodRezepte entnommen aus
Tom Vandenberghe
Vietnam Street Food
Kulinarische Reiseskizzen aus Hanoi und Vietnam
ISBN 978-3-7750-0620-0
1. Auflage, Klappenbroschur, 208 Seiten, 370 Farbfotos
18,00 € (D), 18,50 € (A)

 

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