Nachgekocht
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Nachgekocht: Original schwäbisch Backen

Die Schwaben haben es hier in Berlin nicht leicht. Die Wahlberliner aus dem Ländle gelten als Mietpreistreiber, Speerspitze der Gentrifizierung und an der zunehmenden Spießigkeit sollen sie auch noch schuld sein. Arme Schwaben.

Das Berliner Feindbild ist aber auch schuld daran, dass es – vor allem im Prenzlauer Berg – an jeder Ecke Maultaschen, Käsespätzle und andere schwäbische Spezialitäten gibt. Dagegen habe ich persönlich gar nichts. Aber auch ich bin kein echter Berliner, als NRWler gelte ich „nur“ zu den Zugezogenen und mir geht der Schwabenhass gehörig auf den Keks.

Kekse & Co. gibt’s in meiner (Kreuzberger) Küche heute auch. Auf Schwäbisch: Krautblatz, Wibele und Quittentorte. Bis auf die Quittentorte habe ich die Rezepte aus dem Buch Original schwäbisch Backen diesmal nach ihren eigenwilligen Namen ausgewählt.
Ich muss zugeben, die schwäbische Küche liebe ich heiß und innig, aber an den schwäbischen Dialekt kann ich mich nicht gewöhnen. Krautblatz? Geht´s noch? Etwas so Leckeres hat so einen Namen nicht verdient! Aber wer ist denn jetzt eigentlich dieser Krautblatz?

Monika Graff, gebürtige Berlinerin (aus Hermsdorf, um genau zu sein), Cheflektorin bei Hädecke und Autorin des Buches, gibt eine Antwort:

Die Bezeichnung „Blatz“ (manchmal auch „Platz“) soll aus dem lateinischen „Plazenta“ = Kuchen hervorgegangen sein. Auch der „Blätz“, der Flicken, der auf ein Loch im Gewand genäht wird, soll Pate gestanden haben.
Für diese Art pikante Fladen, vergleichbar auch der Pizza oder anderen flachen Kuchen, gibt es regional sehr unterschiedliche Bezeichnungen: z.B. Dünnet oder Dünetten, Wäh(e), Blootz, Hitzkuacha, um nur einige zu nennen. Die Verwandtschaft mit elsässischen Flammekueche ist unverkennbar.

Im Gegensatz zum Flammkuchen wird der Krautblatz mit Weißkohl und dickerem Teig gebacken. Die Zubereitung geht recht schnell, vor allem wenn man eine Küchenmaschine hat, die einem das Hobeln des Kohls erspart. Der Krautblatz ist, trotz seines Namens, mein absoluter Favorit der hier getesteten Rezepte.

Rezept Krautblatz

für 1 Blech

Hefeteig

250 g Weizenmehl (Type 405)
ca. 1/8 l lauwarme Milch
100 g Schmalz oder weiche Butter
1/2 – 1 TL Salz, nach Belieben
1 Prise Zucker
15 g Frischhefe

Belag

1 kleiner Weißkrautkopf (ca. 1,2 kg)
1 EL Salz
100 g durchwachsener Speck
250 ml Sauerrahm
3 EL Speisestärke
Salz
frisch gemahlener Pfeffer

Backzeit

E-Herd 200–225 °C / Gasherd 3–4
ca. 45 – 50 Minuten

Zubereitung Teig (mit dem Handrührgerät)

  1. In eine große Backschüssel oder Rührschüssel das Mehl sieben, in die Mitte die lauwarme Milch, das Fett, Salz und Zucker geben und die Hefe außen herum bröckeln.
  2. Mit dem Knethaken zunächst auf niedrigster Schaltstufe, dann auf höchster Stufe den Teig durcharbeiten, bis er sich vom Schüsselrand löst.
  3. Den fertig gekneteten Teig mit Mehl bestäuben, mit einem Tuch abdecken und so lange gehen lassen, bis sich der Umfang etwa verdoppelt hat.

Zubereitung Blatz

  1. Den gegangenen Hefeteig dünn auswellen und auf ein gefettetes Backblech legen, dabei einen Rand hochziehen (oder eine runde Backform wählen, auch hier den Rand hochziehen). Auf dem Backblech solange gehen lassen, bis der Belag fertig ist.
  2. Weißkraut halbieren, waschen, den Strunk ausschneiden, das Kraut hobeln und anschließend noch feiner schneiden (dicke Blattrippen entfernen). Salzen und etwa 15 Minuten stehen lassen. Dann gut ausdrücken.
  3. Speck in Würfel schneiden, in einer großen Pfanne auslassen und das Kraut darin etwa 10 Minuten hell andünsten.
  4. Sauerrahm mit Speisestärke verquirlen, würzen, mit dem angedünsteten Kraut vermischen und auf den Teig geben. Den Krautblatz im vorgeheizten Backofen auf der mittleren Schiene backen.

Als nächstes sind die Wibele an der Reihe. Für Nichtschwaben wie mich, gibt es auch hier eine kurze Erklärung zur Namensgebung:

Der Namensgeber der Wibele war Hofprediger Wibel aus Langenburg (Hohenlohe). Einer seiner Verwandten war Konditor und Zuckerbäcker und der nannte das zarte Dessertgebäck, das seit 1763 in einem Familienbetrieb hergestellt wird, „Geduldzeltlich“. Warum? Weil das Gebäck zwei Tage benötigt, bis es fertig ist (siehe Zubereitung unten).
Selbst den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg sollen sie besser als manch anderes Gebäck gemundet haben. Er orderte immer „echte Wibele“.
Im Patentamt zu Berlin wurden die „Echten Wibele“ 1911 zum Patent angemeldet.

Rezept Wibele

Zutaten

5 Eiweiß
1 Prise Salz
125 g Puderzucker
1 Pck. Vanillezucker
5 Eigelb
ca. 180 g Weizenmehl oder je 90 g Weizenmehl und Speisestärke

Backzeit

E-Herd 150 °C / Gasherd 1–2
ca. 10 Minuten

Wie Oben beschrieben braucht man etwas Geduld. Zeit braucht man aber nicht viel, denn der Teig ist in 5–10 Minuten gemacht, dann werden sie noch auf ein gefettetes oder mit Backpapier ausgelegtes Blech gespritzt und müssen dann über Nacht trocknen. Am nächsten Morgen einfach in den Backofen schieben, 10 Minuten warten – und fertig sind die Wibele! Ganz wichtig ist, die Wibele im Auge zu behalten, denn sie sollen noch fast weiß sein. Mir ist ein Blech verbrannt, weil ich das Foto der ersten Wibele stolz auf Facebook posten wollte. So sahen sie dann ein bisschen aus wie Russisch Brot. Der Rest der Wibele diente als gelungenes zweites Frühstück.

Zubereitung

  1. Eiweiß mit Salz, dem gesiebten Puderzucker und dem Vanillezucker entweder über dem Wasserbad mit dem Schneebesen locker aufschlagen. Oder Eigelb und Eiweiß zusammen mit Salz, dem gesiebten Puderzucker und Vanillezucker mit den Schneebesen der Küchenmaschine kalt aufschlagen.
  2. Dann im ersten Fall die Eigelb unterziehen. Das Mehl oder die Mischung mit einem Kochlöffel unter die Eiermasse heben.
  3. Die Biskuitmasse in einen Spritzsack füllen. Backbleche gut fetten und jeweils zwei kleine Punkte Biskuitmasse aneinander auf die Bleche setzen.
  4. Die Wibele über Nacht trocknen lassen und am nächsten Tag im vorgeheizten Backofen zart ausbacken. Die Oberfläche sollte fast weiß sein.

Wie ich dann später in einem Telefonat mit Jule herausfand, habe ich die Wibele offenbar nicht ganz richtig zubereitet. Der zeitliche Aufwand ist bei der richtigen Größe der Wibele dann doch etwas größer als oben versprochen. „Wibele sind wirklich ein Heiden’gschäft, selbst Mizzi hat sie manchmal lieber beim Bäcker für mich gekauft …“ meint Jule, denn sie sollten eigentlich nicht größer als 2 cm sein. Da habe ich es mir wohl doch etwas zu einfach gemacht und viermal so große Wibele gebacken. So sehen sie richtig aus. Außerdem sollten die Wibele etwas mehr Volumen haben, meine sind zu flach geraten. Ich habe den Teig kalt aufgeschlagen (zweite Methode) und vermute, dass es über dem Wasserbad besser funktioniert hätte.

Mir haben die missratenen „Geduldzeltlich“ trotzdem geschmeckt, der Fürst von Hohenlohe-Langenburg hätte sie vermutlich verschmäht …

Weil es gerade wunderbar in die Saison passt, hat Jule mir die Quittentorte als Geburtstagstorte für die Mutter des Liebsten ausgesucht. Nachdem ich mit viel Glück die letzten Früchte bei LPG ergatterte, machte ich mich mit einem scharfen Messer ans Werk, denn Quitten können ganz schöne Biester sein! „Quitten schneiden“ das hört sich so einfach an. Die Dinger sind aber verdammt hart. Ein scharfes Messer ist also unabdingbar, wenn man sich die nicht Finger gleich mit abschneiden will.
Trotz der großen Geburtstagstortenkonkurrenz kam die kleine, aber feine Torte (meine Springform hat nur einen Durchmesser von 18 cm) bei allen Testessern gut an.

Rezept Quittentorte

für 1 Springform, Durchmesser 24–26 cm

Mürbeteig

220–250 g Weizenmehl (Type 405)
80 g Zucker
1–2 EL Weißwein oder
Sauerrahm oder Apfelessig,
je nach Mehlbeschaffenheit
2 Eigelb oder 1 Ei
1 Prise Salz
125 g kalte Butter oder halb Butter/halb Butterschmalz

Belag

750 g frische Quitten, in 250 g Zucker und 3/8 l Wasser gedünstet
oder dieselbe Menge eingedünstete Quitten
2 EL Zwiebackbrösel
30 g geschälte, gemahlene Mandeln oder Haselnüsse

Guss

3–4 mittelgroße Quitten
180 g Zucker
90 g geschälte, gemahlene Mandeln
abgeriebene Schale von
1 Bio-Zitrone
3 Eier, getrennt

Backzeit

E-Herd 175–200 °C / Gasherd 2–3
ca. 40 Minuten

Zubereitung Teig (Handarbeit)

  1. Mehl auf ein Backbrett häufen, in die Mitte eine Vertiefung drücken. In diese Zucker, Wein oder Rahm, Ei und Salz geben.
  2. Die Butter oder die Mischung in kleinen Stückchen rund um das Mehl verteilen.
  3. Dann alle Zutaten mit einem Messer erst vorsichtig, dann energisch zusammenhacken, rasch zusammenkneten und zugedeckt etwa 30 Min. kalt stellen.

Zubereitung Kuchen

  1. Den Mürbeteig auswellen, eine gefettete Springform damit auslegen und die Ränder etwa 4 cm hochziehen.
  2. Dann den Teigboden mit Zwiebackbröseln und Mandeln oder Haselnüssen bestreuen. Die gedünsteten Quittenschnitze gut abtropfen lassen und als Belag nicht zu dicht auf dem Teigboden verteilen.
  3. Die frischen Quitten für den Guss abreiben, waschen, schälen, vierteln und entkernen. Die Viertel in reichlich Wasser weich kochen, auf einer Raffel reiben oder im Mixer grob pürieren. Dann 200 g Quittenmasse abmessen, die übrige Quittenmasse z. B. für Quittenspeck verwenden.
  4. Die oben genannten Zutaten, einschließlich Eigelb, mit der abgemessenen Quittenmasse gut mischen. Eiweiß zu steifem Schnee schlagen und zuletzt unter die Masse heben. Den Guss über die Quittenschnitze streichen und die Torte im vorgeheizten Backofen auf der mittleren Schiene backen.
  5. Die Quittentorte in der Form auskühlen lassen, dann auf eine Kuchenplatte geben.

Variante
Den Teigboden mit Quittenmark (Quittengsälz) bestreichen, gedünstete Quitten auflegen und dann mit dem Guss bedecken. Mit feinem Zucker bestreuen und backen wie oben.

Das Buch hat aber nicht nur regionale Genüsse aus Schwaben zu bieten. In den Kapiteln Tipps und Grundrezepte erfährt man Backtipps und Grundrezepte für Teige, Cremes & Glasuren, daneben finden sich zu fast jedem Rezept geschichtliche Hintergründe. Monika Graff hat für dieses Buch zahlreiche schwäbische Gebäckspezialitäten gesammelt: Dächte, Dünnet, Brezeln, Brödle, Spitzbuben, Sprengerle, Reutlinger Mutschel, Zwetschgendatsche … Wer wissen will was das alles ist, dem sei das 232 Seiten starke Buch schwer ans Herz gelegt!

Und zum Abschluss, passend zu Barack Obamas Wiederwahl, ein Filmchen zum Schmunzeln: Klick!

Ariane

Ariane ist Autorin dieses Artikels, sie kocht und fotografiert in freier Mitarbeit für Mizzis Küchenblock neue Rezepte nach ihrer Wahl aus dem Hädecke-Programm.

 

 

Original Schwäbisch BackenRezepte entnommen aus
Monika Graff
Original schwäbisch Backen

ISBN 978-3-7750-0485-5
1. Auflage, gebunden, 230 Seiten, 84 Farbfotos
19,90 € (D), 27,90 Fr. (CH), 20,50 € (A)

 

 

 

 

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